Washington

Hallo zusammen,

dieses Wochenende ging es nach Washington, der Hauptstadt der USA. Ich sage das nur zur Sicherheit, nicht dass einer denkt, wir sind quer durch die USA in den Bundesstaat gefahren. Anyway:
Ein Roadtrip mit 24 anderen der Internationals.
Klingt nach einem lustigen Trip – war es. Definitiv. Aber die Organisation war etwas crazy. Ich will nicht sagen “chaotisch”, denn das war es nicht. Deshalb sage ich “crazy”. Meint “verrückt” übersetzt. War es eigentlich auch nicht. Es war … komisch. Ja, komisch. Das passt.
4 der Internationals hatten sich der Organisation angenommen – hatten ein Motel inmitten von Washington ausgesucht, Autos gemietet, die Geldfrage geklärt.

Nun, zum Hintergrund muss man sagen, dass der Trip eigentlich vom “International Office” – also dem Ort auf dem Campus, der sich der Internationalen annimmt – geplant wurde. Weil das Office aber zum einen 100$ für den Trip wollte, zum anderen ein Hotel etwas ausserhalb von D.C. gebucht hatte, beschlossen einige der Internationals Ende August, zu schauen, ob ein Trip nicht günstiger
mit etwas zentralerer Lage zu organisieren ist. Vorgesehen waren 2 Autos mit vielleicht 10 Mitreisenden.

An dieser Stelle muss ich ehrlich sein:
mir war egal, ob ich 60, 80 oder 100$ für den Trip zahle

(ich meine, come on, wir reden hier maximal über einen Unterschied von aktuell 25€ – ist natürlich Geld. Aber wenn ich hätte alles organisieren müssen, hätte ich lieber 25€ mehr bezahlt. Naja, ich hab sie ja letztendlich gespart. Kann ich mit leben.)

und mit einem Hotel etwas ausserhalb hätte ich auch leben können – Grund für meine Zusage, bei den Internationals mitzufahren, war eher der, dass ich persönlich dachte, dass es mit einer großen Truppe in D.C. wesentlich mehr Spaß macht. Und wenn diese Gruppe auf eigene Faust dahin möchte – gut, komme
ich
mit. Es sollte sich zeigen, dass das eine gute Entscheidung war.

Einige planten also den Trip – und das wirklich gut. Die Organisation schien wirklich optimal, Geld wurde schon vor Reiseantritt gesammelt, Motel gebucht, 5 Autos gesucht – wobei 3 gemietet wurden, 2 weitere gehörten zu Mitgliedern unserer Gruppe.

Der Tag rückte näher und näher, ich freute mich auf den Trip – zumal ich froh war, nicht so viel mit der Organisation zu tun zu haben. Ist schön, sich mal einfach irgendwo einklicken zu können, ohne selbst in der Organisation zu stecken, was mir in Deutschland häufiger mal passiert ist.

Es wurde Mittwoch vor dem
Wochenende. In einer eigens gegründeten Facebookgruppe hatten wir schon zahlreiche Einträge mit noch zahlreicheren Kommentaren – der Eintrag
mit den meisten Kommentaren, nahezu 100, sollte aber erst an diesem
Mittwoch kommen.
Der Hauptorganisator, Edward, schrieb, dass er eine Mail erhalten habe von der Chefin des “International Office”, in der er von ihr gefragt wird, warum er als Hauptorganisator einen Trip mit 24 anderen nach D.C. plane, wo doch eine Reise nach DC am selben Wochenende geplant ist.

Hierzu sei nochmal kurz erwähnt:
der Trip sollte anfangs nicht mehr als 10 Leute umfassen und war nur deshalb am selben Wochenende geplant, um sich dann mit denen, die mit dem Office nach D.C. fuhren, vort Ort zu treffen und etwas zu unternehmen.

Doch wie so oft mit den Internationals explodiert die Anzahl plötzlich. Funfact: wenn ich in die Mensa komme, brauche ich wirklich nur nach dem Tisch suchen, der die meisten Studenten drum rum sitzen hat. Jap, das sind in 99% der Fälle wir. Ich sollte vielleicht mal bei den World Records anrufen, ich glaube, wir brechen jedes Mal den Rekord in der Kategorie “Wieviele Leute können gleichzeitig an einem runden Tisch essen?”

Aber egal, zurück zum Thema.
Ed hatte also diese Mail erhalten und uns davon berichtet. Wir waren erst einmal verblüfft, wie besagte Chefin überhaupt an den Namen des Organisators und der exakten Anzahl gekommen ist.
Schnell meldete sich eine aus unserer Road Trip – Truppe, die offenbar etwas zu ehrlich ist, wenn sie gefragt wird, denn in einem Gespräch mit der Leitung des Office hatte sie die Frage, ob sie mit nach Washington käme, verneint. Als die Chefin dann fragte, warum sie nicht mitkäme, hatte sie ihr von der Lage erzählt. Kann man nicht ändern – ich hätte vermutlich ähnlich reagiert, manchmal bin ich kopflos. Moment…manchmal? Haha, vielleicht auch “manchmal etwas öfter”. Naja. Gut, die Chefin wusste es also.
Edward schrieb ihr, dass er sich für den Verlauf entschuldigen
möchte, betonte zusätzlich, dass er niemanden verletzen wollte oder ähnliches. War die Wahrheit. Sie akzeptierte das, versuchte aber – meiner Ansicht nach – auch, uns ein wenig Angst zu machen, denn sie sagte, dass das “International Office” mit dem Trip nach D.C. viel zu tun habe und uns daher in einem Problemfall nicht helfen könne. Ok, kann ich – können wir alle – mit leben. Warum? Oh, come on. Wir werden doch wohl einen dreistündigen Roadtrip hinkriegen und uns für eine Nacht in der Hauptstadt eines der mächtigsten Lander der Welt zurechtfinden.

Das hatten wir also erfolgreich geklärt. Wir wollten uns langsam
auf die Reise vorbereiten.

Es wurde Freitag – und wir planten ein Meeting zum Abklären aller noch offenen Fragen. Nicht gerade “typisch deutsch” wurde das Meeting für 22 Uhr am Freitagabend geplant. Zur Erinnerung: es sollte Samstagmorgen losgehen.

Wir trafen uns, nach und nach trudelten dann auch fast alle Mitreisenden ein, sodass wir gegen 10:15 pm / 22:15 tatsächlich beginnen konnten.  Wir sprachen über die Reiseziele, über die Abfahrtszeit – die wir auf 7 Uhr legten -, über die Variante des “Wie kommen wir nach DC?” und die Frage “Wo werden die Autos geparkt, ohne gleich 25 Dollar Parkgebühr für die Nacht zu zahlen?”. Ausserdem sprachen wir über die Aufteilung der Mitreisenden auf die Autos, zeichneten dazu sogar die Namen der Autofahrer an die Tafel und schrieben die entsprechenden Mitfahrer unter die Namen. Die Autos füllten und füllten sich auf diese Weise – ich fuhr bei Lukas mit, einem Austauschstudenten aus Tschechien, den ich bereits auf der Zugfahrt im August von New York nach Huntingdon kennen lernte. Das Geschehen nahm seinen Lauf, als plötzlich auffiel, dass eine Fahrerin nicht bei dem Meeting war.

Aufgrund ihrer etwas ungewöhnlichen Persönlichkeit

(wirkt häufig, um es in Worten von “How I met your Mother” zu sagen, als hätte sie ein “Sandwich” zuviel verspeist)

war ihr Auto bisher noch nicht völlig besetzt, doch spätestens jetzt, nachdem die vier anderen Autos besetzt waren, fiel ihr Fehlen auf.

Das Problem war nicht, dass entsprechende Fahrerin nicht da war.

Das Problem war, dass wir nicht wussten, ob sie ein Auto geholt hatte. Sie war den ganzen Tag nicht erreichbar. Und das war definitiv ein Problem. Denn die Vermietung hatte Samstag geschlossen … natürlich, wie sollte es anderssein?

Die Sache ist nämlich die: kein Auto, keine Fahrt.

Keine Fahrt, kein Washington. Und somit würden 5 Leute in die Röhre gucken.

Da es mittlerweile 23:30 war, sind Edward und ich – nur zur Sicherheit – zu ihrem Zimmer gegangen. Wir wollten abklären, ob sie ein Auto bei der Vermietung abgeholt hat. Ohne wäre es nämlich sehr, sehr schlecht gewesen.

Wir laufen also über den halben Campus zu ihrem Zimmer. Klopfen an ihre Tür. Und – natürlich, wie sollte es anders sein – öffnet sie die Tür, sagt, sie hat schon geschlafen, wollte fit sein für den morgigen Tag. Alles war gut.

Ok, nein, ich bleibe ehrlich und meinem Motto “Warum 2 Sätze schreiben, wenn es auch 2 Seiten sein können?” treu – die wirkliche Geschichte ist ohnehin zu gut, um sie auszulassen. Denn – nein, sie hat nicht geschlafen. Und es hat niemand die Tür geöffnet. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Sie war wer weiß wo.

Freitagabend. 23:45. Auch wenn sie morgen eigentlich fahren sollte – um 7 -, warum sollte sie schon daheim im Zimmer sitzen oder zu unserem Treffen kommen? Achja … ich liebe die Film-Klischees, die mein Leben immer mal wieder bedient. Ich sage nur “in letzter Sekunde in den Flieger einsteigen…”

Anyway. Die Wahrheit ist: Wir standen gut und gerne 10 Minuten vor ihrem Zimmer und klopften immer mal wieder an ihre Tür. Es hätte ja sein können, dass sie vielleicht nur einfach einen großartigen Schlaf hat. Leider – ich spoiler mal – hatte sie den nicht. Sie hat zu dieser Zeit – und nur sie selbst weiß, wann sie dann mal ins Bett kam – noch nicht geschlafen.

Wir standen also auf dem Flur. Völlig planlos. Denn wir mussten ja jetzt irgendwie rausfinden, ob wir 5 Autos hatten – oder eben nicht. Ich meine, wäre – als Aussenstehender – sicher witzig, zu beobachten, wie 25 Studenten um 20 Plätze in 4 Autos kämpfen. Morgens an einem regnerischen Samstag gegen 7. Aber ich wollte das nicht so gerne tun. Also starteten Edward und ich akribischste Detektivarbeit – klingt übertrieben, eigentlich fragten wir nur auf dem Flur umherlaufende Nachbarn von Fahrerin Nummer 5, aber ich finde “akribischste Detektivarbeit” besser klingend als “planloses herumfragen”. Wir fragten also jeden, der an uns vorbeikam. “Hast du die gesehen?” – “Oder du?” – “Oder du?”

Natürlich – Hallo, Filmklischees – hatte sie von unseren ersten Ansprechpartnern niemand gesehen. Wir standen immer noch auf dem Flur vor ihrem (verschlossenen) Zimmer. Nach weiteren 5 oder 10 Minuten – ehrlich gesagt hatte ich in dem Moment andere Sorgen als die Uhrzeitfrage – kam eine der Dorm-Koordinatoren vorbei. Wieder die übliche Frage. Doch statt der  erwarteten “Ne, sorry” – Antwort gab es ein “Ja, die habe ich vor kurzem gesehen. Die war mit [Name der Redaktion bekannt] unterwegs.”

Oh nein. Warum mit ihr? Besagte Person X ist leider bekannt dafür, dass sie gerne mal ´ne ziemlich wilde Party schmeißt – oder ein “Sandwich” isst. Nun ja. Wir machten uns Gedanken, wo wir unsere “Fahrerin Nummer 5” nun finden könnten. Wo könnten sie und Person X wohl hingegangen sein?

Ich hatte erst an eine gerade stattfindende 90-er-Party in der Nähe gedacht, doch Edward meinte, dass es besser sei, vielleicht zum Appartment von Person X zu laufen. Gute Idee. Also liefen wir den 10 minütigen Fußweg bis zu ihrem Appartment. Wir hofften, unsere Fahrerin dort zu finden. Wie gesagt, wir wussten bis dato noch immer nicht, ob wir nun 5 Autos haben oder nicht. Auf dem Weg machte ich mir Gedanken, wie wir das Problem lösen könnten, falls wir kein fünftes Auto hätten – die Vermietung hat Samstags – wie gesagt – nicht auf. Gedanken wie “Lose ziehen” und “Vielleicht in letzter Minute doch noch bei der anderen Tour um Asyl bitten?” kreisten durch meinen Kopf – aber ich fand alle “Aushilfslösungen” beschissen.

Fast am Haus angekommen, sahen wir einen Umriss mit einer Zigarette vor dem Haus stehen, der zu unserer Fahrerin passen könnte. Wir näherten uns dem Haus, behielten dabei den rauchenden Umriss im Blick. Zwar ging der Umriss kurz bevor wir das Haus erreichten in eben dieses, aber wir waren uns ziemlich sicher, dass wir unsere Fahrerin gefunden hatten.

Wir liefen eine hölzeren Treppe nach oben, klopften an der Tür, und betraten nach dem obligatorischen “Come in” den Raum. Nach Betreten des Raums sahen Edward und ich sofort unsere Fahrerin, die uns etwas ungläubig anguckte. Nach einer kurzen Begrüßung der drei anderen im Raum fing Edward das Gespräch an, das ich in Auszügen hier darstellen möchte:

“Hast du ein Auto?” – “Ja, glaubst du, ich bin unterbelichtet?” – “Gut. Warum warst du denn nicht beim Meeting?” – “Ich habe so viel lernen müssen, heute wollte ich einfach nur Spaß haben.” – “Ok. Aber warum hast du uns nicht Bescheid gesagt?” – “Ich habe kein Handy.” – “Und was ist mit Facebook?” – “Ich hatte keine Zeit, auf Facebook zu gehen.” – “Da steht doch ein Laptop hier auf dem Tisch, einfach kurz schreiben und gut. Wir haben dich gesucht.” – “Wie habt ihr mich gefunden?” – “Wir haben ein Mädel auf deinem Flur gefragt.” – “Oh…ich dachte, ich könne mich unsichtbar machen und einfach so verschwinden…”

Nach einem kurzen Gespräch mit anschließend aufkommender Diskussion und ihrer Frage, warum wir uns überhaupt Sorgen um das Auto gemacht haben, konnten Edward und ich uns relativ schnell wieder auf den Heimweg machen. Es war alles gut – wir hatten 5 Autos. Mit einem Grinsen und etwas Ungläubigkeit über das gerade Geschehene ging ich zurück zum deutschen Haus – es konnte losgehen.

Am deutschen Haus angekommen traf ich noch auf zwei meiner Mitbewohner – was dazu führte, dass ich nicht vor 3 Uhr im Bett war. Haha. Witzig. Wann musste ich nochmal aufstehen? Oh shit …

Ich stellte meinen Wecker mit mehreren Weckzeiten ein – und einer “Ich bin die absolute Notfallszeit, wenn ich klingel, hast du a) voll verpennt und bist b) so gut wie am Arsch”-Weckzeit um 6:50. Wie gesagt, 7 Uhr wollten wir uns treffen und ASAP (As soon as possible – so schnell wie möglich) losfahren.

Natürlich – wie sollte es anders sein – bin ich nicht um 6:10 Uhr aufgewacht.

Auch nicht um 6:15. Oder 6:35. Nööööö. Beim Klingeln um 6:50 wachte ich auf und griff nach dem Wecker. Mit etwas verschlafenem Blick wischte ich über den Touchscreen und setzte mich auf. Nach und nach sammelte ich mich. Und ich schaute erneut auf den Touchscreen – diesmal zum Checken der Uhrzeit.

Es ratterte. Und ratterte in meinem Kopf. 6:51. 6:51! 6:51 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Wie ein Blitz stand ich auf – pardon, es war mehr ein aus dem Bett “schießen wie ein Torpedo”, zog mich an, putzte mir die Zähne – soviel Zeit muss sein – und schnappte meinen zum Glück schon gepackten Rucksack.

Es war zwar schon 7:00 Uhr als ich das Haus verließ, aber sich innerhalb von 9 Minuten fix und fertig zu machen, finde ich eine Leistung. Bin ehrlich, da bin ich schon noch ein bisschen Stolz drauf. Nunja. Ich kam also am Treffpunkt an. 7:05. 5 Minuten zu spät – der letzte war ich trotzdem nicht und deshalb war es ok. Um 7:15 klingelten wir den letzten per Handyanruf aus dem Bett, der – ähnlich wie ich – vermutlich Torpedoähnlich in den Tag startete, denn um kurz vor halb 8 konnten wir aufbrechen. Unglaublich, aber es war soweit – wir konnten losfahren. Losfahren Richtung Washington. DC, wir kommen.

“Wer einmal Reiseleiter war, hat das Fegefeuer bereits hinter sich.”

                                                                                                            Emilio Tacchini

Euer Tobi

P.S.:
Teil 2? Bilder? Die gibt es am Freitag – ich möchte euch nicht zu viel Lesestoff auf einmal vorsetzen. 🙂